Fördern auf Distanz: AstA-Projekt sorgt auch unter Coronabedingungen für geringere Abbrecherquote in der dualen Ausbildung am CMB

Um die Abbrecherquote in der dualen Berufsausbildung zu minimieren, ist in diesem Schuljahr zum bereits dritten Mal das erfolgreiche Förderkonzept „Abschluss statt Abbruch“ am Carl-Miele-Berufskolleg an den Start gegangen. Nun konnten sich Freunde und Förderer des Projektes von der AstA-Erfolgsgeschichte überzeugen.

Das Projekt

Das Carl-Miele-Berufskolleg widmet sich mit dem Projekt „Abschluss statt Abbruch“ (kurz: AstA) seit dem Schuljahr 2018/2019 einer brisanten Ausgangslage. Ziel des Projektes ist eine Reduzierung der Abbruchquote in der dualen Ausbildung. Diese lag in den Kammerbezirken Bielefeld und Gütersloh im Jahr 2017 in den Bereichen Elektro, Metall und KFZ bei 17%. Das Carl-Miele-Berufskolleg verzeichnete dabei im selben Jahr eine Abbrecherquote von 10,4%.

Ein Team aus Kolleginnen und Kollegen des CMBs und der Schulsozialarbeiterin Günay Ucar, die als sogenannter „Ausbildungscoach“ fungiert, erstellte vor drei Jahren erstmalig ein Konzept, mit dem das Ziel erreicht werden sollte. Die Osthushenrich-Stiftung konnte dabei als externer Partner gewonnen werden, der das Projekt von Beginn an finanziell unterstützt.

Koordiniert und begleitet wird dieses Konzept intern von Ucar. Sie steht den Auszubildenden mit Rat und Tat zur Seite, indem sie mit ihnen die individuellen Förderpläne erstellte, mit den Auszubildenden Vereinbarungen traf und diese mit den unterschiedlichen Unterstützungsangeboten des Konzeptes koordinierte.

Dem Förderkonzept liegen drei Stufen zugrunde: Zunächst wurde zu Beginn des Schuljahres diagnostiziert, bei wem ausbildungsgefährdende Probleme auftreten könnten. Zur Ermittlung des Förderbedarfs durchliefen in den ersten Wochen des Schuljahrs 521 Auszubildende des ersten Ausbildungsjahres das eigens entwickelte, digitale Diagnoseverfahren. Laut Ucar wurde festgestellt, dass 107 Auszubildende eine leicht erhöhte Abbruchwahrscheinlichkeit zeigten und 56 akuten Bedarf an Beratung und Unterstützung haben.

Mit diesen Auszubildenden wurden im zweiten Schritt individuelle Fördervereinbarungen getroffen, um dann auf der letzten Stufe gezielt und umfassend fördern und unterstützen zu können. Zwölf Auszubildende kamen jeweils montags bis zum Halbjahreswechsel an einem extra eingerichteten Berufsschultag zum Unterricht der Förderklasse FÖ91 in den Schwerpunktfächern Deutsch, Mathematik und Wirtschaftslehre/Politik. Weitere acht Teilnehmerinnen und Teilnehmer besuchten den Stützunterricht (Schwerpunkt: KFZ, Elektro-, und Metalltechnik), welcher von Montag bis Donnerstag nach dem regulären Berufsschulunterricht angeboten wird. Zudem sollte im zweiten Halbjahr erstmals ein kostenloser B2-Sprachkurs im Umfang von 400 Stunden und eine gezielte Prüfungsvorbereitung für Auszubildende, die kurz vor der Zwischenprüfung Teil 1 stehen, angeboten werden.

Fördern auf Distanz

Aus bekannten Gründen verlief das zweite Halbjahr im Schuljahr 2019/2020 allerdings ganz anders als ursprünglich geplant.

Die coronabedingte Schulschließung stellte alle AstA-Beteiligten vor einige Herausforderungen: So war besonders schwerwiegend der plötzliche Kontaktabbruch zu den Auszubildenden, die nun nicht mehr persönlich vor Ort betreut werden konnten. Ein digitales Förderkonzept lag noch nicht vor. Und darüber hinaus gab es unterschiedliche Voraussetzungen für die weitere Beschulung in den einzelnen Betrieben.

Das Ziel aller Beteiligten war nun also der Ausbau einer digitalen Infrastruktur, um das AstA-Projekt bestmöglich weiter fortzuführen. Die Kontaktaufnahme zu den Auszubildenden erfolgte über die Klassenlehrer, allen Schülerinnen und Schülern wurden Accounts in Office 365 eingerichtet, die darin enthaltene App Teams diente als Plattform für die Kommunikation zwischen Lehrkräften und Schülern und ermöglichte die Bereitstellung von Unterrichtsmaterialien zum Distanzlernen. Auch das Erstellen eines digitalen Förderkonzeptes – vordergründig für den Stützunterricht im Bereich Metall für Schülerinnen und Schüler, die ihre Abschlussprüfung Teil 1 in diesem Schuljahr ablegen sollten – wurde in Angriff genommen.

Nachdem das AstA-Projekt im ersten Jahr bereits für eine Minimierung der Abbruchquote um 2,9% auf 7,5% erreicht werden konnte, können nun nach einem turbulenten zweiten Jahr wiederrum erfreuliche Zahlen gemeldet werden: Die Abbruchquote liegt derzeit bei 6% und ist somit in zwei Jahren um insgesamt 4,4% reduziert worden.

Die Zwischenbilanz nach zwei Jahren AstA

Bei der Präsentation der Ergebnisse aus dem Schuljahr 2019/2020 konnten sich am vergangenen Dienstag, 15.09., die stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Osthushenrich-Stiftung, Dr. Martina Schwartz-Gehring, der Geschäftsführer der Stiftung, Dr. Burghard Lehmann, Claudia Fuchs von Kreis Gütersloh, Attila Sepsi von der Industrie- und Handelskammer Bielefeld und Kai Treptow vom AWO Kreisverband Gütersloh von den positiven Zahlen überzeugen.

Schulleiter Dr. Raphael Wortmann und Projektinitiator Marcus Hemschick verwiesen auf die Herausforderungen, denen sich das CMB im vergangenen Jahr stellen musste. Trotz der widrigen Umstände konnte das vereinbarte Ziel, die Abbrecherquote weiter zu reduzieren, erreicht werden.

Die Rückgänge erfreuten Dr. Lehmann aus volkswirtschaftlicher Sicht: Er rechnete aus, mit dem Einsatz von nur 2000€ jeweils eine Bildungsbiographie gerettet werden konnte und konstatierte zufrieden, dass das Ziel des Projektes erreicht wurde. Dr. Schwartz-Gehring freute sich auch besonders für die jungen Leute, die durch die Unterstützung des Projektes eine reelle Chance haben, ihre Ausbildung erfolgreich zu durchlaufen und abzuschließen. Sie hob hervor, dass es den jungen Leuten durch AstA erspart bliebe, ihre Ausbildung vorzeitig beenden zu müssen. Berufsbiographien würden durch das Förderprojekt gerettet, statt zerstört. In diesem Zuge pflichtete Kai Treptow bei, dass hier natürlich auch eine frühzeitige Beratung, die gegebenenfalls zur frühen Umorientierung führt, einen nicht zu unterschätzenden Beitrag leistet.

Ein Ausblick auf das kommende Schuljahr

Neben einer erneuten Reduzierung der Abbrecherquote auf 5% steht im kommenden Jahr nun die Verbesserung der digitalen Infrastruktur für das Förderkonzept im Vordergrund, so dass sich am CMB neben dem Lernen auf Distanz auch das Fördern auf Distanz etabliert. Weiterhin soll die digitale Lernsoftware „Deutschfuchs“ die AstA-Teilnehmer bestmöglich individuell fördern und das Konzept auf breitere Schultern im Lehrerkollegium verteilt werden.

Ein weiteres Ziel des AstA-Projektes ist die finanzielle Unabhängigkeit. Laut Hemschick sollen sowohl Betriebe als auch der Kreis mit ins Boot geholt werden, um dies zu ermöglichen und um das AstA-Projekt zu einem festen Bestandteil am CMB zu machen.

 

Dr. Martina Schwartz-Gehring von der Osthushenrich-Stiftung überzeugte sich von den Maßnahmen und Erfolgen des AstA-Konzeptes am CMB. Links im Bild Ausbildungscoach Günay Ucar.